Von Ulf Meyer, Sprecher der Geschäftsführung SWK Bank, Bingen am Rhein
Der in nahezu allen Wirtschaftsbereichen verwendete und häufig kontrovers diskutierte Begriff „Disruption“ leitet sich von dem englischen Wort „disrupt“ („zerstören“, „unterbrechen“) ab und beschreibt einen Vorgang, der vor allem mit dem Umbruch der Digitalwirtschaft in Zusammenhang gebracht wird. Bestehende, traditionelle Geschäftsmodelle, Produkte, Technologien oder Dienstleistungen werden immer wieder auf’s Neue von Innovationen abgelöst und teilweise vollständig verdrängt, die einen Vorteil für den Kunden bieten. Das kann ein kostengünstigerer Preis, eine effizientere und komfortablere Nutzung oder eine größere Bandbreite an Funktionen sein. Insbesondere in der Startup-Szene ist der Begriff „Disruption“ ein beliebtes Buzz Word, da er das revolutionär-kreative und dynamische Denken und Wirken eines Gründers zum Ausdruck bringt. Somit hat das Phänomen also weit weniger zerstörerisches Potenzial als kreative-katalytische Wirkung, die einen branchen- und unternehmensgrößenübergreifenden Nachhall hat.
Im Finanzsektor stehen zahlreiche FinTechs für erfolgreiche disruptive Veränderungen, deren größtes Potential zur Umgestaltung vor allem im Service-Bereich und der Technologie steckt. Die neuen Gründer gehen stärker auf den Kunden ein, passen ihre Konzepte an dessen Bedürfnisse an und bieten ihm damit einen echten Mehrwert. Ganz nach dem Vorbild wie zum Beispiel dem Online-Bezahlsystem Paypal schaffen es FinTechs, den Kunden mit individualisierten, einfachen und mobilen Lösungen zu modernen Bankdienstleistungen und neuen Finanzpartnern zum Wechseln zu bewegen. Sie setzen das traditionelle Bankenwesen mit ihren digitalen Produkten und Dienstleistungen gehörig unter Druck. Dabei sprechen nicht wenige Marktteilnehmer von einer disruptiven Revolution. Die Zusammenarbeit mit digitalen Plattformen unterstützt klassische Banken und Finanzdienstleister in der digitalen Transformation und erleichtert es, neue Prozesse und Services schneller umzusetzen und gleichzeitig auch das eigene Know-how zu stärken.
Die nächsten Herausforderungen in der Disruption im Finanzbereich
Fintechs verfügen über digitale Innovationen, etablierte Banken haben den Marktzugang, die regulatorische Erfahrung und ein über Jahre aufgebautes Kundenvertrauen. Oft treten IT-Plattformen an die Stelle des universellen Bankenmodells. Eine Vorstufe dazu sind Open-Banking-Modelle. Banking-as-a-Service-Anbieter betreiben häufig Plattformen, die modular spezifische Banking-Dienstleistungen anbieten: mit dem viel breiteren Spektrum von Banking-Disziplinen und -Dienstleistungen lässt sich eine Bank aus dem Baukasten erstellen oder ein bestehendes Banking-Angebot mit anderen standardisierten Dienstleistungen ergänzen.
Auch der Trend zur digitalen (Fremd-) Finanzierung hat sich im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal verstärkt. Das Thema Regulatorik und Branchenstandards gewinnt vor diesem Hintergrund weiter an Bedeutung. Durch den teilweisen und zum Teil auch regulatorisch getriebenen Rückzug der Banken aus dem unbesicherten Kreditgeschäft liegen gerade im SME-Segment große Wachstumschancen, da dieser Bereich noch wenig digitalisiert ist. In diesem Zusammenhang nimmt die Bedeutung der Kooperation von Kreditplattformen, FinTechs und Banken weiter zu.
Die Zukunft im Kreditgeschäft wird von der Einführung neuer, weiterer Technologien geprägt sein, die auch den Krypto-Markt mit einbeziehen werden. Zudem wird die Optimierung der Legitimationsverfahren unter technologischen wie sicherheitsrelevanten Aspekten weiter vorangetrieben werden, so werden zum Beispiel self ident/Gesichtserkennung oder auch der automatische Abgleich mit Ausweisdokumentbildern zum Standard werden. Für die künftigen Herausforderungen im Rahmen der Digitalisierung im Kreditgeschäft ist es erfolgsentscheidend, Prozesse, Produkte und Services mit neuen Lösungen konstruktiv weiter zu disruptieren und das richtige Mindset dafür zu haben. Denn Disruption sollte nicht Technologie-verliebt um der Disruption willen erfolgen, sondern nur dann und soweit, wenn Disruption für alle Beteiligten (Banken, Plattformen, Kunden) auch tatsächlich Abläufe und Prozesse verbessern hilft und das tägliche Finanz-Leben erleichtert.
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